15. Januar 2024

Die ESG-Reise und wie Banken helfen können, die Welt zu verändern.

In einer sich rasch verändernden Welt wird immer deutlicher, dass Unternehmen ESG-Belange (Umwelt, Soziales und Governance) vorrangig behandeln müssen. Da die Verbraucher mehr Transparenz und Rechenschaftspflicht fordern, haben die Banken nun eine einzigartige Gelegenheit, zu einem positiven Wandel beizutragen. Wir sprachen mit Julie Batsch, Audit Partner, Banking and Capital Markets Leader bei PwC Luxembourg, Jörg Ackermann, Partner, Banking Advisory Leader bei PwC Luxembourg und Frédéric Vonner, Advisory Partner, Sustainable Finance and Sustainability Leader bei PwC Luxembourg, die unseren Lesern Einblicke und fünf nützliche Tipps gaben.

1. Was bedeutet ESG genau und wie lauten die gesetzlichen ESG-Anforderungen für Banken?

Die Banken stehen zunehmend unter Druck, sich verändernden Stakeholder-Anforderungen in Bezug auf ESG-Belange (Umwelt, Soziales und Governance) gerecht zu werden. Neue Vorschriften wie die Verordnung über nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten (Sustainable Finance Disclosure Regulation, SFDR) und die EU-Taxonomie erfordern eine größere Transparenz und die Offenlegung von ESG-bezogenen Daten. Die Anleger untersuchen zudem die Auswirkungen ihrer Anlageentscheidungen auf das Klima und die Gesellschaft. 
 
Die SFDR schreibt vor, dass Finanzinstitute bestimmte Nachhaltigkeitsinformationen zu ihren Finanzprodukten öffentlich zugänglich und vergleichbar machen. Die Anleger können diese Informationen in ihre Anlageentscheidungen einbeziehen und die ESG-Auswirkungen ihres Portfolios nachverfolgen. Die EU-Taxonomie dient als standardisierte Definition zur Messung der ESG-Auswirkungen und wird zum neuen Goldstandard im regulatorischen ESG-Rahmen werden. 
 
Darüber hinaus haben Banken Berichtspflichten auf Unternehmensebene, wie in der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) dargelegt. Sie müssen eine doppelte Wesentlichkeitsbewertung durchführen, um die Auswirkungen von Nachhaltigkeitsaspekten sowohl auf ihr Geschäft als auch auf die Nachhaltigkeit als Ganzes zu verstehen. Die CSRD umfasst Maßnahmen wie die grünen Quoten, in deren Rahmen der prozentuale Anteil der Kreditvergabe an grüne Vermögenswerte im Gesamtportfolio einer Bank gemessen wird. Die Banken werden der Öffentlichkeit signifikante neue Daten offenlegen müssen, um die Transparenz zu steigern und die Erwartungen der Stakeholder in Bezug auf ESG-Aspekte zu erfüllen. 

Neben der Erfüllung regulatorischer Anforderungen spielen Banken auch eine entscheidende Rolle bei der Finanzierung der Dekarbonisierung und des Übergangs zu einer grünen Wirtschaft. Sie müssen die Geschäfte ihrer Kunden verstehen und neben der Finanzierung auch Transformationsberatung anbieten. Die Banken müssen zudem das Klimarisiko bewerten, dem ihre Kunden ausgesetzt sind, da von ihnen erwartet werden kann, dass sie einen Teil der Mittel zur Bewältigung dieser Herausforderungen bereitstellen. Darüber hinaus werden die Banken ermutigt, einen Beitrag zu gesellschaftlichen Zielen zu leisten, wie etwa die Unterstützung einkommensschwacher Haushalte und die Förderung der sozialen Entwicklung. 

 

Insgesamt durchlaufen die Banken aufgrund von ESG-Aspekten einen Wandel. Es gibt zweierlei ESG-Motivationen: Die Banken erkennen die Notwendigkeit eines nachhaltigen Planeten und verstehen, dass die Integration von ESG für das Überleben ihrer Branche unerlässlich ist. Die Banken müssen aktiv in die gesamte Wertschöpfungskette einbezogen werden, nicht nur als Finanzdienstleister, sondern auch als Pädagogen und Berater ihrer Kunden. Der Fokus liegt jedoch nicht nur auf Umweltaspekten, sondern auch auf sozialen und Governance-Belangen. Die Banken können eine bedeutende Rolle dabei spielen, positive Veränderungen voranzutreiben, indem sie den Übergang zu einer grüneren Wirtschaft unterstützen und umfassendere Ziele verfolgen, die in den Zielen der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung dargelegt sind. 

2. Kümmern sich Verbraucher Ihrer Meinung nach um Nachhaltigkeit und ESG-Forderungen?

Wir müssen zwischen Kunden von Banken und Verbrauchern im Allgemeinen unterscheiden. Die Bankkunden ziehen die Banken zur Rechenschaft und erwarten höhere ESG-Standards. 

Ich denke, dass sich jeder für ESG interessiert, nur auf verschiedene Art und mit unterschiedlichen Prioritäten. Die Privatkunden, die beispielsweise ein Auto finanzieren möchten, müssen zwischen einem Elektrofahrzeug oder einem Verbrennungsmotor wählen. Die Unternehmen sehen Banken dagegen als Partner. KMUs brauchen jemanden, dem sie vertrauen können, um ihre ESG-Umstellung erfolgreich zu bewältigen.  

Das Private Banking ist ein etwas anderer Sektor. Hier hängt das ESG-Interesse oftmals davon ab, woher das Vermögen kommt. Eine Person, die eine Firma von Grund auf aufgebaut hat, unterscheidet sich sehr stark von einer Person, deren Familie seit ihrer Geburt vermögend war oder ein großes Vermögen geerbt hat. Diese Art von Kunden wird sich mehr an Wohltätigkeitsorganisationen beteiligen.  

Wir erleben eine weitreichende Übertragung von Vermögen von den älteren zu den jüngeren Generationen. Den neueren Generationen liegt ESG sehr am Herzen und sie wollen auf eine Art und Weise investieren, die für die Gesellschaft positive Auswirkungen hat. In unserer PwC Banking Trends and Figures-Umfrage im Jahr 2021 stellten wir fest, dass vermögende Privatkunden den ESG-Wandel von Portfolios vorantreiben.  

Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass die Banken über eine riesige Menge an Daten verfügen. Wussten Sie, dass von nur vier Kreditkartentransaktionen eine Person zu mehr als 90 % identifiziert werden kann? Und die meisten Menschen nutzen Kreditkarten. Wenn Sie also eine Jeans oder ein Flugticket kaufen, könnte es eine Anzeige geben, die Ihnen sagt, wie viel CO2 Sie im Begriff sind zu generieren. Wenn wir diese Art von Informationen bekämen, würden wir unsere Ausgaben auf nachhaltigere Entscheidungen umleiten.  

Rückblickend in der Geschichte war die Kapitalrendite der erste relevante Entscheidungsfaktor für die Kunden, als zweites kam dann das Risiko. In der Zukunft wird es jedoch um Risiken, Renditen und Auswirkungen gehen. Und wenn man sich die verschiedenen Kundensegmente ansieht, sind es die sehr vermögenden Kunden, die den Wandel vorantreiben. Weshalb? Weil sie zuerst Gutes für die Menschheit tun wollen und sie das Geld dafür haben. Zweitens aber wollen sie unter Berücksichtigung von ESG-Aspekten investieren, weil sie wissen, dass nicht nachhaltige und nicht konforme Anlagen sie langfristig Geld kosten werden. Eine zuverlässigere ESG-Berichterstattung der Bank über die Anlagen des Kunden wird ihnen helfen, die Auswirkungen ihrer Anlagen auf die verschiedenen ESG-Bereiche zu beurteilen. 

3. Verhindert ESG die finanzielle Performance oder kann es die finanzielle Performance sogar verbessern?

Wir sehen kein nachteiliges Ergebnis bei grünen Anlagen und Renditen. Was wir jedoch sehen, ist, dass grüne Anlagen langfristig weniger riskant sind. Wenn wir ESG als Ganzes betrachten, müssen wir alle langfristig denken. Oder es wird keine Zukunft geben.  

 

Ich glaube, dass ESG in 10-15 Jahren vollständig integriert sein wird und wir nicht einmal mehr den Begriff ESG verwenden werden. Wir haben immer noch zunehmende geopolitische Spannungen und wir kämpfen mit einer hohen Inflation und wer weiß, was noch vor uns liegt. Das bedeutet, dass sich viele Bankkunden zunächst darum Sorgen machen müssen, am Monatsende genug Geld zu haben. Wenn dies geschieht, können die Prioritäten anders ausfallen. Daher dürften ESG-Anlagen auf kürzere Sicht Schwankungen erfahren. Längerfristig dürfte es aber einen positiven Anstieg geben. Tatsache ist, dass diese Spannungen zwischen kurzfristigen Anlagen und langfristigen Anlagen auftreten. Das dauert und wir alle müssen Änderungen vornehmen.  

Wir sind auf dem Weg in Richtung +3 Grad in Luxemburg.  Das bedeutet im Jahr 2100 zehn Monate Dürre pro Jahr. Stellen Sie sich zehn Monate ohne Wasser vor. Ich glaube, es ist klar, dass wir jetzt Änderungen vornehmen müssen. Aber der wirkliche Druck wird kommen, wenn die Menschen erkennen, wie dringlich die Situation geworden ist. Und das wird am Ende ein stärkerer Antrieb sein als der regulatorische Druck.  

4. Wie sieht Ihrer Meinung nach die Zukunft der Digitalisierung des Bankensektors aus?

Für die kommende Generation werden nicht mehr Banken, sondern eher Anwendungen der Maßstab sein. Finanzinstitute, denen der digitale Wandel vollständig gelingt, werden den Nutzern ihre Services über eine App anbieten und damit nationale Grenzen überschreiten. Neue Banken werden ihr digitales Image sorgfältig pflegen und ihre Online-Präsenz durch die regelmäßige Einführung neuer Funktionen erweitern müssen, um ihre Kunden zu binden und in ihrem digitalen Ökosystem zu halten.

ransparenz und Rechenschaftspflicht werden durch die CSRD (Corporate Sustainability Reporting Directive) vorangetrieben, die Banken verpflichtet, ihre Ziele zu definieren, an denen sie gemessen werden. Die Banken müssen die ESG-Daten verstehen und ihren Kunden helfen zu verstehen, was in den Berichten steht.  

In Zeiten mehrerer Krisen dürfen die Politiker dieses wichtige Thema nicht aus den Augen verlieren und vor allem müssen sie jene Menschen befähigen, die ehrgeizige ESG-Ziele verfolgen. Sie müssen die richtigen Anreize bieten und die finanziellen Mittel sinnvoll einsetzen.

Sie könnten dies aus einer globalen Perspektive betrachten, und dann würde ich eine Vielzahl von Themen anführen:  

  • Wasser ist wesentlich! Bei diesem Thema haben wir Probleme der Knappheit,Dürren und Überschwemmungen mit den jeweiligen Risiken, die sie bergen; 

  • Das wachsende Bewusstsein für das Thema ESG ist ein Thema an sich;  

  • Inflation;  

  • Haushaltsprobleme; 

  • Geopolitische Spannungen und 

  • Soziale Medien und ihre Fähigkeit, die Menschen von den wahren ESG-Themen (Klimawandel) und der dringenden Agenda (um nur einige zu nennen) abzulenken. 

Es besteht auch die Herausforderung der Überregulierung in dem Sinne, dass den Menschen Regeln auferlegt wurden, ihnen diesbezüglich aber keine Hilfestellung gegeben wird, bei der Finanzierung werden die Beweggründe nicht verstanden oder sie haben Probleme mit den Fristen.  

Nehmen wir zum Beispiel Flugreisen, die während der Coronapandemie zurückgegangen sind, wodurch sich unsere Klimabilanz weltweit verbesserte. Sobald die Pandemie vorbei war, wollten alle wieder fliegen, und alles wurde wieder wie zuvor. Dies ist ein Beispiel dafür, woMenschen etwas bewirken können. 

Kurzfristig wollen die Menschen irgendwo in die Sonne fliegen. Aber wenn wir unsere Gewohnheiten nicht langfristig ändern, werden wir den Klimawandel und die Umweltverschmutzung weiter verschlimmern.  

5 nützliche Tipps

ür Verbraucher, die sich für zweckorientierte Unternehmen entscheiden möchten, die ESG ernst nehmen? 

  1. Wählen Sie Unternehmen aus, die sich einer grünen Zukunft und einem definierten Transformationspfad verschrieben haben. 

  2. Vergewissern Sie sich, dass Sie Ihre eigene Forschung auf der Grundlage wissenschaftlicher Fakten durchführen – vertrauen Sie nicht dem, was Sie in den sozialen Medien lesen. 

  3. Denken Sie darüber nach, was Ihnen am Herzen liegt, und machen Sie sich dann Ihnen selbst gegenüber Verpflichtungen. 

  4. Betrachten Sie das große Ganze aber konzentrieren Sie sich auf kleine Aktionen, so dass Sie nicht entmutigt werden oder Ihrem Schicksal ergeben.  

  5. Seien Sie geduldig, denn Veränderung braucht Zeit. 

Über diesen Blog:

 

Der rasche Wandel hin zu globaler ökologischer Nachhaltigkeit ist dringend geboten. Wirtschaft und Industrie haben enorme soziale und ökologische Auswirkungen. „Warum ist das wichtig?“  ist ein zweimonatlicher Blog, der darauf abzielt, dieses wichtige Thema aus der Sicht unserer Experten zu beleuchten.


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