28. März 2024

Die Bedeutung des ethischen Investierens im Bankensektor und wie es verbessert werden kann?

Die Finanzindustrie kann zum European Green Deal beitragen, indem sie negative Investitionen vermeidet und nachhaltige Finanzen fördert. Seit 1996 existiert bereits die Kooperation zwischen Spuerkeess und etika. Im aktuellen Umfeld bleiben nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten eine Priorität. Wir sprachen mit Ekkehart Schmidt von etika über die aktuellen Entwicklungen und fünf nützliche Tipps wie wir alle nachhaltige Veränderung in der Finanzindustrie vorantreiben können.

1. Welche ethischen Grundsätze sollten bei Investitionsentscheidungen berücksichtigt werden und wie können Nachhaltigkeitsbanken dazu beitragen, diese umzusetzen?

„Ethisch“ sollte in diesem Falle bedeuten, sozial und ökologisch verantwortlich zu investieren, d.h. Investitionsentscheidungen nicht rein renditeorientiert, sondern werteorientiert zu fällen. Das mindeste sind bestimmte Ausschlusskriterien. Selbst viele konventionelle Banken wenden diese heute an. Sie investieren zum Beispiel nicht mehr in die Rüstungsindustrie – wohl aber noch in fossile Energieträger. Grüne und soziale Banken investieren dagegen ausschließlich in nachhaltige Projekte bzw. Produkte (Positivauswahl). Und bieten ihren Kundinnen und Kunden, denen es um Werte wie Gerechtigkeit oder Ziele wie die Bekämpfung der Klimakrise geht, Transparenz darüber.

Im Geschäftsmodell der Nachhaltigkeitsbanken werden über zwei Drittel des Geldes, das ihnen in verschiedener Form von Kunden anvertraut wurde, als Kredite an die Realwirtschaft weitergegeben und dies nach ethischen und ökologischen Kriterien. Der Rest fließt aufgrund von Liquiditätsvorgaben in die Eigenanlage. Möglich wird das auch dadurch, dass ihre Kundinnen und Kunden den „Impakt“ über die Rendite stellen.

Ganz anders das Geschäftsmodell der konventionellen Banken: Bei ihnen ist der Anteil der Kredite deutlich geringer. Ein großer Teil ihrer Aktivitäten ist spekulativer Natur. Sie engagieren sich heute vorrangig an den Finanzmärkten, indem sie Finanzprodukte wie Fondsanteile, Derivate, Aktien und Schuldverschreibungen kaufen und verkaufen – möglichst mit Gewinn. Aus der Realwirtschaft haben sie sich dagegen eher zurückgezogen. Ausschlaggebend sind Renditeerwartungen, während Gemeinwohlinteressen nachrangig sind.

2. Wie kann die Finanzindustrie als Teil des European Green Deal zur "gerechten Transformation" und zum "großen Wandel" beitragen?

Indem man sich schlichtweg stärker an den bereits etablierten Praktiken der Nachhaltigkeitsbanken orientiert. In erster Linie: Investitionen vermeiden, die negative Effekte mit sich bringen. So ähnlich steht es auch im Pariser Klimaabkommen, das 2015 das Ziel formulierte, die weltweiten „Finanzmittelflüsse“ in kohlenstoffarme Industrien umzulenken. 

Dies zu konkretisieren, forderten seither unterschiedlichste Akteure aus Zivilgesellschaft und Politik. Der Green Deal ist nun die 2021 in Kraft getretene politische Selbstverpflichtung der 27 EU-Mitgliedstaaten mit dem Ziel, bis 2050 die Netto-Treibhausgasemissionen auf null zu reduzieren und als erster Kontinent klimaneutral zu werden.

Dafür umfasst er Maßnahmen von der Energieversorgung über den Verkehr bis hin zur Finanzmarktregulierung („sustainable finance“), um die CO2-Emissionen der EU im Vergleich zu 1990 bis 2030 um mindestens 55 Prozent zu reduzieren.

Mit der Taxonomieverordnung wurde 2020 die weltweit erste „grüne Liste“ für nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten geschaffen – ein Klassifizierungssystem, das Anleger verwenden können, wenn sie in nachhaltige Projekte investieren wollen.

Auf den zunehmenden Druck zur Dekarbonisierung hat der Finanzsektor mit der Vermarktung vermeintlich neuer und nachhaltiger Finanzprodukte reagiert. Es ist zu einem enormen Anstieg sogenannter ESG-Investments gekommen: also Finanzprodukten, die ökologische und soziale Kriterien sowie die Art der Unternehmensführung beachten. „Beachten“ bedeutet aber nicht, schädliche Investments auszuschließen.

Die damit einhergehenden starken Greenwashing-Tendenzen will die EU nun nicht mehr hinnehmen, weil diese die Ziele des Green Deal gefährden. Allgemeingültige Label sollen schwammige Nachhaltigkeitsbehauptungen ersetzen. Der Tendenz, dass viele Fonds nunmehr „ESG-gescreent“ sind, sich an ihrer Anlagepolitik aber wenig geändert hat, soll gegengewirkt werden.

3. Was ist der Unterschied zwischen Investitionen in „grüne“ Fonds und Investitionen in die Realökonomie, und warum sollten Letztere stärker beworben werden?

Am Luxemburger Finanzplatz wird stolz verkündet, dass mittlerweile schon 73 % aller hier domizilierten Investmentfonds „nachhaltig“ seien. Man komme damit Luxemburgs globaler Verantwortung nach. So entsteht der Eindruck, dass die vielbeschworene Umleitung der Finanzströme auf gutem Wege ist. Doch wo genau investieren diese vermeintlich grünen Fonds? In erster Linie an den weltweiten Aktienmärkten. Realwirtschaftliche Auswirkungen hat das kaum.

Es ist ein Missverständnis zu glauben, dass, wenn man an der Börse eine Aktie von einem Unternehmen kauft, auch ein direkter Geldtransfer zu diesem Unternehmen stattfindet. Man erwirbt die Aktie lediglich von einem anderen Marktteilnehmer. Das Unternehmen selbst profitiert nicht von diesem Tauschgeschäft.

Anders ist das nur beim Börsengang. Dann findet tatsächlich ein direkter Kapitaltransfer statt. Die folgenden Transaktionen betreffen das Unternehmen nur noch mittelbar. Wer mit seinem Geld tatsächlich Einfluss nehmen will, muss sich nach Anlagemöglichkeiten umschauen, die einen realwirtschaftlichen Effekt haben. Das geht in erster Linie über den Primärmarkt oder über Kredite, die nachhaltigen Firmen und Projekten zugutekommen.

etika ist froh – gemeinsam mit Spuerkeess – mit dem Alternativen Sparkonto ein derartiges Produkt anbieten zu können.

4. Welche Auswirkungen können Investitionen in die Realökonomie im Vergleich zu sekundären Märkten haben, insbesondere im Hinblick auf ökologische und soziale Aspekte?

Solche Investitionen sind in der Regel Kredite oder auch der Erwerb von Eigenkapital von Firmen, die ein bestimmtes Ziel verfolgen: die Produktion von Gütern, das Angebot von Dienstleistungen oder der Wohnungsbau. Bei Investitionskrediten werden häufig Gebäude errichtet oder Maschinen gekauft. Wenn also zum Beispiel ein Landwirt eine Scheune oder Lagerhalle baut, wird der Bau durch Handwerker und mit Material aus der Region umgesetzt. Die lokale Wirtschaft profitiert und mit ihr – über die Steuereinnahmen – auch die Kommune oder der Staat.

Handelt es sich nun, wie bei allen von Spuerkeess und etika finanzierten Projekten, um ein soziales oder ökologisches Ziel, das der Kreditnehmer anstrebt, entsteht ein positiver Effekt für das Gemeinwohl hier im Lande. Kredite an Biobauern helfen bei der Bewahrung der Artenvielfalt, Kredite an soziale Einrichtungen helfen dabei, Benachteiligungen zu reduzieren oder Menschen wieder in Arbeit zu bringen. Davon haben alle etwas, selbst wenn sie das nicht direkt spüren.

5 nützliche Tipps,

wie man nachhaltige Veränderungen in der Finanzindustrie vorantreiben kann:

  1. Glauben Sie nicht unkritisch dem Marketing von Finanzmarktakteuren.
  2. Schauen Sie sich genau an, ob das Produkt, in das Sie investieren wollen, einen realwirtschaftlichen Effekt hat.
  3. Lassen Sie sich die jeweilige Investmentpolitik genau erklären.
  4. Überlegen Sie genau, in welchem Verhältnis Ihre ethischen Vorstellungen und Nachhaltigkeitsziele zu Ihren Renditeerwartungen stehen.
  5. Schauen Sie sich auch Angebote von Nachhaltigkeitsbanken und das Alternative Sparkonto von Spuerkeess und etika an.

Über diesen Blog:

 

Der rasche Wandel hin zu globaler ökologischer Nachhaltigkeit ist dringend geboten. Wirtschaft und Industrie haben enorme soziale und ökologische Auswirkungen. „Warum ist das wichtig?“  ist ein zweimonatlicher Blog, der darauf abzielt, dieses wichtige Thema aus der Sicht unserer Experten zu beleuchten.


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