30. Juni 2022

Wie fördert man psychologische Sicherheit am Arbeitsplatz?

Mitarbeiter, die sich am Arbeitsplatz akzeptiert und respektiert fühlen, sind produktiver. Dr. Mareike Bönigk, Leiterin Psychosozialer Dienst des Ministeriums für öffentlichen Dienst, erklärt, wie psychologische Sicherheit am Arbeitsplatz gefördert wird und gibt fünf nützliche Tipps für Menschen, die sich an ihrem Arbeitsplatz nicht sicher fühlen.

1. Was bedeutet es, sich bei der Arbeit psychologisch sicher zu fühlen und welche Rechte haben Arbeitnehmer in Luxemburg?

Sich sicher zu fühlen am Arbeitsplatz - und das im psychologischen Sinn und nicht im physischen Sinn (das wäre eher eine Frage des Arbeitsschutzes), entsteht im Zusammenspiel von

  • den psychosozialen Risiken und

  • der Resilienz einer Person.

Psychosoziale Risiken sind Arbeitsplatzbedingungen, die Einfluss haben auf die psychische Gesundheit von Mitarbeiter. Beispiele sind die Zusammenarbeit im Team, die Klarheit der eigenen Aufgaben und Ziele oder auch die Anerkennung durch den/die Vorgesetzte(n). Je positiver diese Bedingungen erlebt werden, umso sicherer fühlt sich eine Person auf ihrem Arbeitsplatz.

Der zweite Faktor, die Resilienz einer Person, steht für ihre Kompetenzen oder Stärken, die ihr helfen, mit schwierigen Umweltbedingungen klar zu kommen. Ist die Person zum Beispiel:

  • fähig, lösungsorientiert an Probleme heran zu gehen,

  • optimistisch oder

  • in der Lage Beziehungen zu anderen aufzubauen die sie unterstützen?

Ein Mensch mit hoher Resilienz kann mit Schwierigkeiten besser umgehen, denn er/sie nimmt vieles leichter. Letzteres erklärt, warum wir immer von „wahrgenommener psychologischer Sicherheit“ sprechen – diese ist immer subjektiv zu beurteilen.

Die EU-Direktive 89/391 gibt den gesetzlichen Rahmen, dass der Arbeitgeber für die Sicherheit seiner Mitarbeiter sorgen muss und verpflichtet ist den Arbeitsplatz so zu gestalten, dass die Gesundheit der Mitarbeiter gewahrt bleibt. In der weiteren Diskussion dieser Direktive und der Umsetzung in die Luxemburger Gesetzgebung wurde dieses Prinzip auch auf die psychische Gesundheit ausgeweitet. Im betrieblichen Gesundheitsmanagement wird zudem die individuelle Gesundheitsvorsorge gefördert – die bleibt allerdings in der Eigenverantwortung des einzelnen Mitarbeiters.

2. Welche Rolle spielen Kommunikation und Empathie?

Die Umsetzung in der Praxis ist Führungsaufgabe. Sind auf strategischem Niveau Strukturen geschaffen, die psychologische Sicherheit wahrscheinlich machen, müssen die Führungskräfte in ihrem individuellen Kontakt mit Teams und einzelnen Mitarbeiter diese Strukturen mit Leben füllen. Empathie ist hier eine wichtige Kompetenz. Ein empathischer Leader denkt daran, die Mitarbeiter zum richtigen Zeitpunkt auf die richtige Art und Weise zu informieren und einzubinden.

Da aber auch die Zusammenarbeit und gegenseitige Unterstützung eine psychosoziale Ressource ist, gilt ähnliches auch für Kollegen. Seit 2017 schult der psychosoziale Dienst vom Ministerium für öffentlichen Dienst Mitarbeiter in Erster psychologischer Hilfe – ein weltweit anerkannter Ansatz zur Kommunikation mit anderen Menschen, die sich in einer psychologischen Krise befinden. Wenn solche Prinzipien in einer Firma gelebt werden, können sich Personen sicher fühlen.

3. Wie schadet der Mangel an psychologischer Sicherheit am Arbeitsplatz den luxemburgischen Unternehmen? Gibt es Statistiken?

Die Statistik für Luxemburg ist sicher der Quality of Work Index der von der „Université du Luxembourg“ in Zusammenarbeit mit der „Chambre des salariés“ seit 2012 jährlich erstellt wird. Basierend auf den wissenschaftlichen Grundlagen ist davon auszugehen, dass psychosoziale Arbeitsbedingungen Auswirkungen auf Arbeitszufriedenheit, Motivation und Gesundheit haben. Diese wiederum wirken sich auf das Leistungsvermögen aus und - mit hoher Wahrscheinlichkeit - auf die Effizienz von Unternehmen oder Administrationen.

4. Wie können Führungskräfte die wahrgenommene psychologische Sicherheit in den Teams verbessern?

Im Grunde kommen hier alle Prinzipien des Leaderships zur Anwendung :

Leader, die

  • Partizipation nicht nur zulassen, sondern selbstverständlich einbauen,

  • den oder die Einzelne(n) im Blick haben und auch reagieren bei Anzeichen von Unwohlsein,

  • für ihr Team einstehen,

  • Konflikte lösen,

  • Leistung anerkennen, auch vor anderen,

  • Mitarbeiter fördern,

  • Strukturen verbessern und Fehler für Verbesserungen nutzen,

  • sich für die Arbeitsinhalte interessieren, ohne alles selbst machen zu wollen,

  • sich trauen, Entscheidungen zu treffen und auch dazu zu stehen.

Diese Leader erhöhen die wahrgenommen psychologische Sicherheit Ihres Teams.

5. Welche fünf nützlichen Tipps haben Sie für Menschen, die sich auf ihrem Arbeitsplatz nicht psychologisch sicher fühlen?

Fünf hilfreiche Tipps: 

1. Vertrauen Sie sich an. Es gibt in Luxemburg spezialisierte Strukturen, die Sie professionell beraten.

2. Analysieren Sie die genauen Ursachen Ihres Unwohlseins. Diese Selbstanalyse hilft bei der Lösungssuche.

3. Sprechen Sie Ihre(n) Vorgesetzte(n) gezielt auf diese Ursachen an, am besten mit vorher ausgearbeiteten Lösungsvorschlägen.

4. Wenn Dinge nicht veränderbar sind, entwickeln Sie – am besten mit professioneller Hilfe – Techniken, um mit den Herausforderungen besser umgehen zu können.

5. Denken Sie natürlich an Ihren eigenen Schutz, aber gehen Sie nicht zu früh (Kündigung oder Krankschreibung). Ihre Resilienz wird mit der Zeit wachsen.

Über diesen Blog:

 

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