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Evergreens Insights: Nicolas Griedlich zu Chancen, Souveränität und Transformation durch künstliche Intelligenz in Unternehmen

In diesem kurzen Ausschnitt aus dem Podcast „Evergreens by Spuerkeess” lotet Nicolas Griedlich, Partner bei Deloitte Luxemburg und zuständig für künstliche Intelligenz und Datenmanagement, die Herausforderungen der künstlichen Intelligenz in Unternehmen aus. Er erläutert seine Sicht auf die rasante Entwicklung der generativen KI, die Herausforderungen im Zusammenhang mit digitaler Souveränität, Datenqualität und Anpassung der Mitarbeiter. Erfahren Sie mehr über seine Analyse neuer Trends wie agentische KI und seine Forderung nach einem strategischen, verantwortungsvollen und europäischen Umgang mit dieser Technologie.

Wie sehen Sie die Entwicklung der künstlichen Intelligenz in Unternehmen seit der Einführung von ChatGPT im November 2022?

Faszinierend ist die Geschwindigkeit, mit der sich die Dinge entwickeln. Seit Mai 2023 wird generative KI zunehmend durch Technologieakteure genutzt und in ihre Werkzeuge integriert. Unternehmen hingegen mussten sich rasch mit grundlegenden Fragen auseinandersetzen: Legalität, Compliance, Risikomanagement, aber auch Unterstützung ihrer Mitarbeiter bei dieser Transformation. Interessanterweise war die Nutzung erst privat, bevor sie geschäftlich wurde. Und heute sehen wir, wie diese Technologie in so unterschiedliche Bereiche wie Drohnen, Landwirtschaft oder Katastrophenmanagement vordringt.

Europa scheint gegenüber den USA oder China oft im Rückstand zu sein. Ist das auch Ihr Eindruck?

Es ist eine Tatsache, dass Innovation oft von anderswo kommt. Aber ich glaube, dass wir in Europa alle Voraussetzungen erfüllen, um diesen Rückstand aufzuholen. „AI Factories”, Supercomputer wie „MeluXina” und Partnerschaften mit Akteuren wie „Mistral" zeigen einen starken politischen Willen. Wir haben Kompetenzen, Forschungszentren wie das LIST und Infrastruktur. Was wir jetzt brauchen, ist die strategische Nutzung dieser Ressourcen.

Digitale Souveränität ist ein heikles Thema. Wie gehen Sie es an?

Souveränität ist in erster Linie eine Frage der Wahl. Man kann beschließen, übergangsweise Ressourcen außerhalb Europas zu nutzen, aber es muss eine freie Entscheidung sein, keine Pflicht. Es geht nicht darum, in puncto Bruttoleistung mit den USA mitzuhalten, sondern darum, unseren tatsächlichen Rechenbedarf zu verstehen und Ressourcen intelligent zu nutzen. Die Analogie mit dem europäischen Stromnetz ist treffend: Man muss Rechenleistung als gemeinsam genutzte Ressource denken.

Und ist Europa beim Thema Daten, insbesondere durch die DSGVO, benachteiligt?

Nicht unbedingt. Es kommt nicht auf die Menge der Daten an, sondern auf ihre Qualität und Relevanz. Große Modelle werden an riesigen Datenmassen trainiert, aber das garantiert keine Zuverlässigkeit. Man braucht genügsamere, spezialisierte Modelle, die weniger verbrauchen und besser auf die tatsächlichen Bedürfnisse zugeschnitten sind. Und vor allem muss man die Kontrolle darüber behalten, was mit diesen Daten gemacht wird.

Welche menschlichen Herausforderungen bestehen bei dieser Transformation?

Die größte Herausforderung ist die Anpassung. Es reicht nicht aus, nur Experten zu haben. Alle Mitarbeiter müssen verstehen, was KI ist, wie sie funktioniert und vor allem, wie sie sich in ihren Alltag einfügt. Man muss auch an die Weitergabe von Wissen denken. Wenn eine Maschine einen Prozess ausführt, müssen künftige Generationen diesen Prozess verstehen, auch wenn sie ihn nicht mehr selbst ausführen.

Welche Hauptrisiken sehen Sie?

Das Hauptrisiko besteht darin, KI nur um der KI willen zu machen. Sogenanntes „AI Washing”. Jedes Projekt muss einen echten Anwendungsfall haben und einen echten Mehrwert bieten. Sonst investiert man ohne Gegenleistung. Und dann gibt es noch die technischen Risiken: Verzerrungen, Halluzinationen und fehlende Kausalität in Modellen. Wir müssen wachsam bleiben und dürfen nicht aus den Augen verlieren, dass die KI ein Werkzeug und kein Selbstzweck ist.

Und zum Schluss: Welche Trends zeichnen sich für die Zukunft ab?

Agentische KI ist ein eindeutiger Trend. Autonome Agenten, die zusammenarbeiten, um ein gemeinsames Ziel zu erreichen. Das bringt allerdings neue Herausforderungen mit sich, insbesondere in der Unternehmensführung. Wie lässt sich verhindern, dass Agenten sich gegenseitig verzerren? Wie behält man die Kontrolle? Dies sind entscheidende Fragen. Aber ich bleibe optimistisch: Mit den richtigen Kompetenzen, der richtigen Regulierung und einer klaren Vision kann Europa in dieser neuen Ära eine führende Rolle spielen.

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