Der „Liberation Day“ war ein Wendepunkt. Wie haben die Kunden reagiert?
Am 2. April überraschte das Ausmaß der von Donald Trump verlangten Zölle. Obwohl er ziemlich bald zurückruderte, war dies für die Kunden ein Anlass, ihre Portfolios zu überdenken. Der „US Exceptionalism“ wird klar in Frage gestellt. US-Positionen waren dominant, aber inzwischen besteht eine echte Nachfrage nach mehr Diversifizierung und einer globaleren Allokation.
Die Kunden haben lange von der Wertentwicklung in den USA profitiert. Ist das ein Wendepunkt?
Ja. Zehn Jahre lang haben sich die amerikanischen Märkte überdurchschnittlich entwickelt. Nicht mitzumachen, wäre ein großer Nachteil gewesen. Doch angesichts der Spannungen im Handel und der Einführung von „DeepSeek“ werden die Bewertungen neu überdacht. Die Kunden schauen jetzt nach Europa und Asien und in bisher unbeachtete Themenkreise.
Die amerikanische Geldpolitik steht unter Druck. Welche Rolle spielt die Fed?
Die Fed hat ein doppeltes Mandat: Preisstabilität und Vollbeschäftigung. Die Löhne steigen, der Arbeitsmarkt bleibt solide. Dies führt zu einer restriktiven Politik. Beim Zeitplan der Zinssenkungen ist Vorsicht geboten.
In Europa hat die EZB ihre Zinsen bereits gesenkt. War es das?
Offiziell, ja. Doch die Wirtschaftsmotoren – Frankreich und Deutschland – sind ins Stottern geraten. Wenn diese Motoren nicht bald wieder anspringen, sind möglicherweise weitere Zinssenkungen erforderlich. Ich gehe davon aus, dass ein bis drei weitere Zinsschritte über einen Zeitraum von zwölf Monaten möglich sind.
Rohstoffe kehren in die Portfolios zurück. Warum?
Das hängt mit der Diversifizierung und dem geopolitischen Kontext zusammen. Sie haben eine Absicherungsfunktion, insbesondere für Kunden mit Zinsrisiko. Die Inflation bleibt zwar, insbesondere in den USA, strukturell hoch, aber Rohstoffe – allen voran Gold und Edelmetalle – machen Sinn. Sie bieten sowohl Zuflucht als auch Rendite.
Hat Gold dieses Jahr zugelegt?
Ja, rund 22 %. Silber zieht nach, insbesondere nach der Ankündigung der russischen Zentralbank. Die Nachfrage der Industrie hat sich verstärkt. Dies spiegelt auch einen Vertrauensverlust in den Dollar wider.
Interessieren sich die Kunden auch für Schwellenländer?
Definitiv. Ziel ist es, die Dollar-Exposure zu reduzieren und sich dort zu positionieren, wo es effektives Wachstum gibt. Asien und hier insbesondere Indien haben eine große Anziehungskraft. Auch nach fünf Jahren guter Entwicklung gibt es noch Potenzial.
Und „grüne“ Anlagen?
Sie hatten unlängst zu kämpfen, vor allem wegen der Änderung des politischen Tonfalls. Aber langfristig bleibt das Thema relevant. Man muss einfach zu einem rationaleren Ansatz zurückkehren und gezieltere Investitionen tätigen.
Die Marktpsychologie spielt eine wichtige Rolle. Wie sehen Sie das?
Sobald die Volatilität zunimmt, gewinnen emotionale Einflüsse die Oberhand. Einige Anleger geraten in Panik, andere folgen der Euphorie. Man muss einen kühlen Kopf bewahren, analysieren und langfristig investieren. Die Diversifizierung nach Themen und Branchen hilft, diese Risiken zu mindern.
Wie sieht Ihre Prognose für das zweite Halbjahr aus?
Es ist schwierig, ein präzises Ziel zu setzen. Ich gehe davon aus, dass wir zu den Fundamentaldaten zurückkehren: Unternehmensergebnisse, Stimmungsumfragen und Wirtschaftsdaten. Dann haben wir für die nächsten sechs bis neun Monate eine bessere Planungssicherheit – auch im Hinblick auf die Entwicklung der Indizes.