26. Oktober 2020

Interview mit Xavier Hannaerts

In einem sehr besonderen Kontext äußert sich Xavier Hannaerts, Head of Investments bei Spuerkeess Asset Management, in diesem Interview zur Entwicklung des Umfelds, in dem Vermögensverwalter ihre Aufgabe wahrnehmen.

Angesichts der Ausnahmesituation, der wir derzeit ausgesetzt sind, ist es sicherlich besonders schwierig, innezuhalten, um die richtigen Anlageentscheidungen treffen zu können. Welche Aspekte sind in Ihren Augen entscheidend?

Tatsächlich haben wir es mit einer Vielzahl beispielloser Aspekte zu tun: der coronabedingten Gesundheitskrise, den Ausgangsbeschränkungen, zu deren Verhängung Regierungen in aller Welt gezwungen waren, den reaktionsschnellen, zügigen und koordinierten Maßnahmen von Zentralbanken und Regierungen zur Unterstützung ihrer Volkswirtschaften, den astronomischen Summen, die monatlich über die Wertpapierkäufe der US-Notenbank Federal Reserve und der Europäischen Zentralbank in die Wirtschaft gepumpt werden, und dem Aufbauplan der Europäischen Union in Antwort auf die Pandemie – nicht zu vergessen die ambitionierte und historische Einigung,

mit der sich die Mitgliedstaaten dazu durchgerungen haben, die Weichen für eine Vergemeinschaftung ihrer Schulden zu stellen. Kurz: In einem solchen Kontext die richtigen Entscheidungen zu treffen, setzt eine tiefgreifende Analyse der Gesamtheit der wirtschaftlichen Faktoren voraus, die keinen Aspekt vernachlässigt. Die Zeiten ändern sich, und damit auch unser Beruf: Es gilt nicht mehr nur, unseren Blick auf die wirtschaftlichen Fundamentaldaten zu richten, da die Geldpolitik und die Markttrends wesentliche Grundlagen unserer Anlageentscheidungen darstellen.

Wie beeinflussen diese drei Pfeiler die wirtschaftliche Entwicklung in der Praxis?

Die Analyse der Finanzmärkte zeigt, dass diese von einem fundamentalen Trend getragen werden, für den diese drei Pfeiler ausschlaggebend sind. Nehmen wir die Zentralbanken: Wir stellen fest, dass die Maßnahmen zur monetären Lockerung im Laufe der Zeit und im Zuge der Entwicklung der Pandemiesituation immer stärker ausgeweitet werden.

 

Diese Institutionen versetzen der Wirtschaft gigantische Liquiditätsspritzen, und die immer weiter in die Tiefe revidierten Inflationserwartungen führen nur dazu, dass die Anleger von einer Weiterführung dieser Politik ausgehen.

Schaut man sich nun die Regierungen an, so verfolgen diese übermäßig expansive haushaltspolitische Kurse, die dazu gedient haben, den massiven Einbruch der Konsumausgaben und der Investitionen auszugleichen. Als Beispiel sind die Vereinigten Staaten zu nennen, deren verschiedene Konjunkturpakete sich auf mehrere Milliarden Dollar und bis zu 20 % des BIP summieren. Dies bringt neue Dynamik in die eingetrübten Kennzahlen und könnte die Risikobereitschaft an den Aktienmärkten befeuern. Last but not least tendieren die Märkte weiterhin aufwärts – die technischen Indikatoren liegen nach wie vor im grünen Bereich.

Wie tragen Sie diesen Aspekten in Ihren Anlageentscheidungen Rechnung?

Nichts ist in Stein gemeißelt, und so verfolgen wir die Entwicklung nach wie vor sehr aufmerksam und wachsam und halten weiterhin Ausschau nach Chancen, die sich an den Märkten auftun. Mit sehr wachem Auge haben wir zum Beispiel die Korrektur beobachtet, die im September an den Aktienmärkten für etwas ausgewogenere Bewertungsniveaus gesorgt hat.

Diese heilsame Bewegung hat dem Markt wieder eine gehörige Portion Luft verschafft und stellt eine ausgezeichnete Gelegenheit dar, unsere Aktiengewichtung angesichts der günstigen Trends und möglicher Konjunkturmaßnahmen, die auf eine Belebung der Wirtschaft und neue Risikolust an den Finanzmärkten hoffen lassen, anzuheben.

Letztendlich könnte die leichte Untergewichtung von Aktien, die wir derzeit beibehalten, gegebenenfalls nach und nach einer stärkeren Positionierung im Aktiensegment weichen, falls sich die vorstehend erläuterten Trends bestätigen sollten.

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