Interview mit Xavier Hannaerts
In einem sehr besonderen Kontext äußert sich Xavier Hannaerts, Head of Investments bei Spuerkeess Asset Management, in diesem Interview zur Entwicklung des…
Der Nebel lichtet sich. Wir sehen das Licht am Ende des Tunnels nach einem Jahr 2019, das der Weltwirtschaft einiges abverlangt hat. Die Weltwirtschaft, die durch die zu schnelle Zinserhöhung der Fed (US-Notenbank), den anhaltenden Handelsstreit zwischen den USA und China und durch allgemeine geopolitische Besorgnisse ausgebremst wurde, verlor an Dynamik und erzielte ihre schwächste Wachstumsrate seit der großen Finanzkrise. Diese Situation gehört jedoch jetzt der Vergangenheit an. Wir sind optimistisch für das Jahr 2020, weil sich der dunkle Schleier gelüftet hat, der die Weltwirtschaft stark eintrübte. China und die Vereinigten Staaten haben ein Abkommen der ersten Phase erreicht, der Brexit fand am 31. Januar statt, und die Zentralbanken werden ihre anpassungsfähige Geldpolitik fortsetzen, die offensichtlich die Märkte unterstützt.
Derzeit stabilisiert sich das globale Wirtschaftswachstum, und wir gehen davon aus, dass es wieder an Fahrt aufnimmt und in der zweiten Hälfte des Jahres 2020 die 3 %-Marke überschreitet. Die Schwellenländer warten mit viel höheren Wachstumsraten als die der Industrieländer auf und sind weiterhin der Motor des globalen Wirtschaftswachstums. Wir erwarten, dass das Wachstum in den Industrieländern, vom Konsum und von einer geringen Arbeitslosigkeit getragen, positiv und stabil bleiben wird.
Vergessen wir nicht, dass 2020 in den Vereinigten Staaten ein neuer Präsident gewählt wird, und Donald Trump könnte beim Rennen um seine Wiederwahl eine mehr oder weniger extreme Handelspolitik gegenüber China oder der Europäischen Union verfolgen. Und das bewerten wir übrigens auch als das größte Risiko in unserem Wirtschaftsszenario für das laufende Jahr.
Die Anleihemärkte haben sich eher von abstrakten als von konkreten Elementen leiten lassen. Die erzielten Fortschritte haben den Appetit auf Vermögenswerte, die an ihrer Qualität gemessen werden, zugunsten von risikoreicheren Anlagen wie Aktien verringert.
Vor diesem risikoorientierten Hintergrund erholten sich die Renditen europäischer Staatsanleihen gegen Ende des Jahres sowohl für das kurze als auch das lange Ende der Kurve.
Die Inflation ist nach wie vor weit vom 2 %-Ziel der Zentralbanken entfernt, und die Prognosen für die nächsten zwei Jahre sagen nicht mehr als 1,3 % voraus.Aykut Efe
Im Bereich der Geldpolitik betreiben die Zentralbanken eine Politik des ultraleichten Geldes, die sie nur fortsetzen können, und üben damit Druck in Richtung weiterer Zinssenkungen aus.
In Europa bietet die EZB durch ihr Rückkaufprogramm für Vermögenswerte, das sie für einen praktisch unbegrenzten Zeitraum neu aufgelegt hat, eine bedingungslose Unterstützung für den Markt. Wir sind der Meinung, dass die private Verschuldung unter bestimmten Bedingungen attraktiv bleibt: eine solide Bilanz, die Möglichkeit der Fortführung des Rückkaufprogramms und eine geringe Zyklizität.
In den Vereinigten Staaten regen Staatsanleihen zu Neutralität an. Auch hier hat die Fed alles getan,
um eine Stabilisierung des Geldmarktes zu ermöglichen. Ihre entgegenkommende Haltung und ihr Programm zum Rückkauf von Schatzanweisungen, das mindestens bis zur zweiten Hälfte des Jahres 2020 laufen wird, bestärkt uns in unserer positiven Einschätzung des kurzen Endes der US-Zinskurve. Auf der anderen Seite scheinen die Schatzanweisungen für den langen Teil der Kurve teuer zu sein, und wir bleiben da lieber vorsichtig, da das Jahr 2020 vor allem für diesen Teil der Kurve sehr volatil sein dürfte. Es bleiben Zweifel hinsichtlich Inflation, Handelsströmen und den US-Wahlen.
In den Vereinigten Staaten stellen das derzeit stabile wirtschaftliche Umfeld, das schnelle Reagieren der Fed und ein negatives Nettoangebot günstige Parameter dar. Die Wachstumsherausforderungen für 2020 sind jedoch besonders relevant für die Kreditmärkte, da die Unternehmensbilanzen das schwächste Glied in diesem Zyklus bleiben. Schlussendlich sollte man vorsichtig sein, ohne dabei zu übertreiben.
Unserer Ansicht nach ist es wichtig, sich weiterhin auf der Kreditseite zu positionieren, um sich bietende Geschäftschancen zu nutzen und dabei gleichzeitig selektiv vorzugehen.