Interview mit Xavier Hannaerts
In einem sehr besonderen Kontext äußert sich Xavier Hannaerts, Head of Investments bei Spuerkeess Asset Management, in diesem Interview zur Entwicklung des…
Mittlerweile herrscht Gewissheit: Die Corona-Pandemie wird die Weltwirtschaft schon im zweiten Quartal dieses Jahres in eine Rezession stürzen – und die Industrieländer wird es als erste treffen. Angesichts des drohenden Abschwungs schnüren Regierungen und Zentralbanken koordinierte Hilfspakete zur Unterstützung der Wirtschaft.
Zum einen verfügen die Zentralbanken über ein spätestens seit der letzten Finanzkrise wohlvertrautes Instrument: Wertpapierkaufprogramme (denen selbstverständlich Leitzinssenkungen vorausgehen). Zum anderen richten Regierungen ihre Haushaltspolitik denkbar expansiv aus, um Produzenten wie Verbrauchern unter die Arme zu greifen.
Insgesamt rund dreißig Zentralbanken von Schwellen- bis hin zu Industrieländern haben ihre Leitzinsen heruntergeschraubt, um die wirtschaftlichen Verwerfungen der Pandemie abzufedern. Doch dies ist noch nicht alles. Einer nach dem anderen kündigten die Währungshüter massive Wertpapierkaufprogramme an, insbesondere die Federal Reserve (Fed) der Vereinigten Staaten und die Europäische Zentralbank (EZB).
Nachdem die Fed zunächst in einem außerplanmäßigen Schritt ihre Leitzinsen auf 0 % gesenkt hatte, hob sie sämtliche Beschränkungen ihrer Wertpapierkäufe auf und ließ wissen, dass sie künftig auch bei Unternehmensanleihen zugreifen werde, und dies am primären und am sekundären Markt wie auch über ETFs. Vorsorglich stellte die Fed zudem mit der Einrichtung von Kreditlinien (swap lines) für Dutzende Zentralbanken die Dollar-Liquidität im Ausland sicher.
Unterdessen enttäuschte die EZB zunächst die Märkte mit der Ankündigung einer wenig ambitionierten Ausweitung ihrer Anleihekäufe im Volumen von 120 Milliarden Euro. Anschließend legte die Frankfurter Institution jedoch nach, indem sie ihr Quantitative Easing (QE) um 700 Milliarden Euro aufstockte. Um eine doppelte Wirkung zu erzielen, wurde dieses neu lancierte Pandemic Emergency Purchase Programme von einer Kommunikation flankiert, die von einer seltenen Entschlossenheit geprägt war. So hatte nun durchaus auch Christine Lagarde ihren „Whatever it takes“-Moment, als sie versicherte, es gebe für die EZB „keine Grenzen für unser Engagement für den Euro“.
Auf budgetärer Ebene unternehmen auch die Staaten beispiellose Anstrengungen. Um die Tragweite dieser haushaltspolitischen Maßnahmen zu veranschaulichen: Es soll sich um das ehrgeizigste Konjunkturprogramm handeln, das je in Friedenszeiten aufgelegt wurde.
Und dies ist noch vorsichtig ausgedrückt: Die Beträge, um die es hier geht, sind mindestens so gewaltig wie die der QE-Programme. Ursprünglich stand in den Vereinigten Staaten ein Anfangsbetrag von 800 Milliarden Dollar zur Debatte. Inzwischen hat der Senat ein Konjunkturpaket in Höhe von 2 Billionen Dollar verabschiedet!
Dieses Paket umfasst Beihilfen zu Bankdarlehen und für Unternehmen im Volumen von 500 Milliarden Dollar, vor allem aber Schecks über 1.200 Dollar für jeden Erwachsenen mit niedrigem bis mittlerem Einkommen und zusätzlich 500 Dollar je Kind in der Familie. Diese außergewöhnlichen Summen, die die US-Regierung in die Wirtschaft pumpen möchte, belaufen sich auf 10 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP) der USA. In ihrer Größenordnung entsprechen sie dem gesamten BIP eines Landes wie Italien.
In Europa hat die Europäische Kommission die Haushaltsregeln des Stabilitäts- und Wachstumspakts ausgesetzt, die den Staatsausgaben einen Riegel vorschieben. So erhalten die Mitgliedstaaten Spielraum für die Unterstützung ihrer Unternehmen und Haushalte, ohne die Regeln des Pakts zu verletzen.
Selbst Deutschland mit seiner historischen Scheu vor Staatsverschuldung als Konjunkturmaßnahme musste einräumen, unter den jetzigen Umständen keine andere Wahl zu haben.
Vor diesem Hintergrund wurde ein kolossales Konjunkturpaket im Umfang von 800 Milliarden Euro aufgelegt, aus dem 600 Milliarden Euro an Unternehmen fließen sollen, während der Rest für Sozialausgaben vorgesehen ist. Darüber hinaus verfügt die deutsche Förderbank KfW über 500 Milliarden Euro, die deutsche Unternehmen bei Liquiditätsengpässen abrufen können.
Frankreich beabsichtigt, seinerseits 45 Milliarden Euro für seine Unternehmen und Haushalte auf den Tisch zu legen und eine staatliche Garantie für Bankdarlehen in Höhe von bis zu 300 Milliarden Euro zu gewähren.
Es ist beruhigend, festzustellen, dass die Antwort der Zentralbanken und Staaten auf die aktuelle Krise nicht auf sich warten lässt.
Dass sich die öffentlichen Entscheidungsträger des Ernstes der Lage bewusst sind, beweist ihr beispielloses Vorgehen. Auf privater Seite werden der Verbrauch und die Investitionen zwar während der gesamten Dauer dieser Pandemie zum Erliegen kommen. Dank des beherzten Eingreifens von staatlicher Seite darf jedoch darauf gehofft werden, dass sich der Scherbenhaufen bis zum Ende der Durststrecke begrenzen lässt – mit so wenig Konkursen wie möglich und einer Wirtschaft, die wieder Fahrt aufnehmen kann, sobald wir die Pandemie überwunden haben.